Bürgermeister im Dialog

Frank Börner, Bürgermeister in Gudensberg

Was würden Sie sagen, was macht Gudensberg aus, was macht es besonders?

Gudensberg besitzt für eine Stadt seiner Größe eine hervorragende Infrastruktur. Es gibt Schulen, ein Hallen- und Naturbad, Gastronomie und Einkaufsmöglichkeiten, ein reges Kultur- und Sportleben, eine Burgruine und wunderschöne Fachwerkhäuser in der Kernstadt und den sechs Stadtteilen. Die Natur ist nahe. Die einmalige Basaltkuppenlandschaft lädt zum Wandern und Radfahren ein. Vor allem viele junge Familien schätzen das Leben auf dem Land und haben in Gudensberg günstig einen Bauplatz erworben. Und auch der direkte Autobahnanschluss zur A49 und die Nähe zur Stadt Kassel erhöhen die Attraktivität unserer Stadt.

Gudensberg zieht – im Gegensatz zu manch anderer Kommune – viele Neu-Bürger an. Was machen Sie richtig?

Wir gestalten die Stadt kontinuierlich weiter. Sei es im Hinblick auf den Veranstaltungskalender, auf Gewerbeansiedlungen oder das schnelle Internet. Nicht der Stillstand, sondern Wandel und Anpassung machen eine Stadt attraktiv. Dabei müssen aber die bestehenden Schätze gepflegt werden – die Natur, die historische Bausubstanz, aber auch das vielfältige Vereinswesen. Gerne gehen wir auch neue Wege, schaffen Alleinstellungsmerkmale wie die Märchenbühne im Stadtpark, einen musikalischen Wanderweg oder einen Golfpark für Jedermann.

Wie gelingt die Ansiedelung von Gewerbe? Wie lassen sich Standortfaktoren nutzen und verbessern?

Unternehmen benötigen eine Wohlfühlatmosphäre. Betriebe finden in Gudensberg gute und verlässliche Rahmenbedingungen vor. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Rathaus sind kompetent und hilfsbereit, haben immer ein offenes Ohr für Probleme und Wünsche. Schnelligkeit, hohe Flexibilität und wenig Bürokratie wissen Unternehmen sehr zu schätzen. Dafür steht die Gudensberger Kommunalpolitik. Als Bürgermeister bin ich sehr oft vor Ort und stehe mit Rat und Tat zur Seite. Auch Kultur ist ein wichtiger Standortfaktor. Hier präsentieren wir uns mit einem überdurchschnittlichen Angebot. In einer Stadt zu arbeiten und zu leben, wo viel los ist, kommt auch bei den Unternehmensangehörigen gut an.

Hat die Attraktivität auch Kehrseiten?

Wir stoßen natürlich auch auf Herausforderungen. Vor zehn Jahren hätte beispielweise niemand gedacht, dass wir einmal strenge Kriterien für die Vergabe von Bauplätzen entwickeln müssen. Denn in Gudensberg gibt es aktuell nicht genug Bauland und Mietwohnungen. Nur mit Eigenheimen lässt sich der Mangel nicht beheben. Wir benötigen Mietshäuser und Investoren dafür. Mit Geschosswohnungsbau lässt sich zudem die Flächenversieglung begrenzen.

Ein anderes Problem ist die Kinderbetreuung. Damit allen Eltern ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht, erweitern wir jedes Jahr die Kapazitäten. Gerade planen wir den fünften kommunalen Kindergarten. Bis dahin müssen wir aber die Kinder in einem temporären Kindergarten aus Wohncontainern unterbringen. Das funktioniert gut, verursacht aber zusätzliche Kosten.

Leider fühlen wir uns bei der Erfüllung dieser gesellschaftlichen Aufgabe von Bund und Land ziemlich alleine gelassen. Kinderbetreuung ist hoch defizitär. Die Stadt muss jährlich zwei Millionen Euro aus dem kommunalen Haushalt zuschießen. Ohne Erhöhung der Gebühren und Steuern ist das leider nicht zu schaffen. Nur 30 Prozent der Kosten erhalten wir als Landeszuschüsse. Das ist viel zu wenig und nimmt uns den finanziellen Spielraum für andere wichtige Aufgaben.

Wenn wir in die Zukunft schauen – was sind die wichtigsten Aspekte und Meilensteine für die kommende Entwicklung in Gudensberg?

Im Rahmen eines Städtebauförderprogramms wurde mit einer umfangreichen Bürgerbeteiligung das städtebauliche Entwicklungskonzept „Gudensberg 2030. fair – nachhaltig – sozial“ aufgestellt. Zwar gilt das Programm nur für ein fest definiertes Fördergebiet in der historischen Kernstadt. Das zugehörige Konzept bietet aber Leitlinien für die gesamtstädtische Entwicklung. Gudensberg soll sich nachhaltig weiterentwickeln und eine attraktive Stadt für alle Bevölkerungsgruppen – zum Wohnen, Arbeiten und Leben – bleiben. Wir denken dabei nicht nur an die jetzige, sondern auch an zukünftige Generationen. Die Kernbestandteile des Städtebauförderprogramms sind der Erhalt der historischen Altstadt, die Aufwertung der öffentlichen Plätze und die Schaffung von Wohnraum. Außerdem wollen wir das Thema Durchgangsverkehrs im Stadtzentrum angehen.

Welche Bedeutung haben IT und digitale Technologien konkret für Rathaus und Verwaltung in Gudensberg?

Im letzten Jahr wurden zwei wichtige Digitalisierungsmaßnahmen in der Verwaltung umgesetzt: Die Einführung des digitalen Rechnungsworkflows und die Installation eines CRM-Systems. Beide Systemlösungen werden nicht nur Papier einsparen und damit zur notwendigen Ressourcenschonung beitragen, sondern auch die Arbeitsprozesse effektiver gestalten. Damit kommt die IT durch besseren Service unseren Bürgerinnen und Bürgern direkt zu Gute.

Wo und wie arbeiten Sie mit der ekom21 zusammen?

Mit der ekom21 hat die Stadtverwaltung einen kompetenten und verlässlichen Partner auf mehreren Feldern. Im Finanzwesen nutzen wir das N7-Programm und in der Personalabrechnung „LOGA“. Auch im Bürgerbüro, im Einwohnermeldewesen und im Standesamt kommen ekom21-Produkte zur Anwendung. Nicht zuletzt arbeiten wir auch bei der Hardware-Beschaffung zusammen. Persönlich nutzte ich die ebox21 auf dem Smartphone als Cloudspeicher.

Welche Vorteile hat die Verwaltung durch Digitalisierung, können Sie Beispiele nennen?

Insgesamt arbeiten wir viel effizienter. Ein Beispiel: Durch die neue Dokumentenablage auf dem sicheren Cloudserver in Deutschland haben unsere Verwaltungsexperten Zugriff auf alle für einen Vorgang relevanten Dokumente direkt von ihrem Arbeitsplatzcomputer aus. Im Urlaubs- oder Krankheitsfall muss keine Aktenübergabe erfolgen, weil Akten zentral bereitstehen. Zudem müssen sie nicht mehr ausgedruckt, abgeheftet und in einem Aktenschrank gelagert werden. Auch der Postverkehr ist mittels E-Mail und Anhängen einfacher und schneller geworden. Gerade jetzt in der Corona-Pandemie ist so auch Heimarbeit möglich und Kommunikation ohne unmittelbaren persönlichen Kontakt.

Wie sah die Verwaltung vor 10 Jahren aus? Wie wird sie Ihrer Einschätzung nach in 10 Jahren aussehen?

Wer nur auf die Vergangenheit oder die Gegenwart blickt, wird die Zukunft verpassen“. Es ist lange her, dass John F. Kennedy diesen Satz sagte. Das Leben verändert sich heute in einer Geschwindigkeit, die revolutionär ist. Vor diesem Hintergrund müssen wir die Zukunft unserer Stadt – das Rathaus ist ja nur ein Teil davon – nachhaltig gestalten. Und diese Zukunft kann nur digital sein. Die Veränderungen werden alle Bereiche unseres Lebens erfassen. Die digitale Stadt ist das Schlagwort, die sogenannte „Smart City“. Smarte Technologien bieten Mehrwert für die kommunale Verwaltung, aber auch für die Wirtschaft und für unsere Bürgerinnen und Bürger. Die öffentliche Verwaltung muss den Weg in die digitale Welt mitgehen. Das wird zu Recht von einem Rathaus der Zukunft erwartet. Berge von Papier und Schränke voller Ordner in unseren Arbeitszimmern werden bald nur noch Vergangenheit sein.

Die Stadt Gudensberg ist international sehr aktiv. Welche Rolle spielen die Städtepartnerschaften im Leben der Stadt?

Seit 2010 besteht die Städtepartnerschaft mit Jelcz-Laskowice in Polen und seit 2016 mit Schtschyrez in der Ukraine. Beide Städte sind auch untereinander verpartnert, so dass eine Dreier-Allianz besteht. Im Laufe der Jahre haben sich viele Kontakte zwischen den politischen Gremien, den Verwaltungen und den Bürgerschaften und sogar Freundschaften entwickelt. Häufig traten und treten Kulturgruppen in den Partnerstädten auf; Sportvereine und die Freiwilligen Feuerwehren gestalten gemeinsam Training und Wettkämpfe. Die Städtepartnerschaften bereichern das kommunale Leben in allen drei Städten auf vielen Ebenen.

Völkerverständigung? – Was tun Sie und welchen Effekt hat das?

In Gudensberg leben mittlerweile Menschen aus 65 Ländern der Welt. Der Umgang mit anderen Kulturen wird zur Normalität, und wir lernen diesen auch durch die Städtepartnerschaften.

Unsere ukrainische Partnerstadt unterstützen wir beim Aufbau ihres Gemeinwesens. Das geschieht mit Förderprogrammen des Bundes, aber auch mit viel Unterstützung aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Regionale Banken und die ekom21 haben beispielsweise auf unsere Vermittlung hin EDV-Technik für die Verwaltung, die Schulen und das Kulturhaus in Schtschyrez gespendet.

Monitore und andere Hardware von der ekom21 für die Ukraine

Als Kommune stellen wir unser Know-how zur Verfügung. Das betrifft vor allem Bauprojekte. Im letzten Jahr haben wir eine Energieberatung für die Gesamtschule in Schtschyrez mit über 550 Schülern vermittelt und organisiert. Das Gebäude aus Sowjetzeiten ist ein riesiger Energiefresser und weist auch bauliche Mängel auf. Der Maßnahmenkatalog des Energieberaters kann zu großen Teilen in Eigenleistung umgesetzt werden. Zu dieser Aufgabe sind sowohl Eltern als auch Lehrer und Stadtverwaltung bereit. Das ist tatkräftiges bürgerliches Engagement – Selbsthilfe, die wir fachlich unterstützen.

Unser größtes gemeinsames Projekt ist die Schaffung einer zentralen Abwasserentsorgung in Schtschyrez als hygienische und ökologische Maßnahme. Dazu wollen wir in diesem Jahr knapp zwei Kilometer Abwassersammler verlegen lassen. Die Mittel stammen zu 90 Prozent vom Bund. Ukrainische Unternehmen planen und bauen. Und unsere Bauabteilung und externe Experten prüfen Planung und Ausführung, weil die Stadtverwaltung Schtschyrez noch keine Erfahrung in der Umsetzung größerer Bauprojekte hat.

Dann werden im Oktober die Stadtverordnetenversammlungen aller drei Städte anlässlich des zehnten Jubiläums unserer polnischen Partnerschaft in Jelcz-Laskowice zum Thema Bürgerhaushalt tagen. Hier wollen wir von den Erfahrungen unserer polnischen Partnerstadt mit dem Instrument „Direkte Bürgerbeteiligung“ lernen. Übrigens: Die Abstimmung über den Bürgerhaushalt erfolgt in Jelcz-Laskowice auf digitalem Weg mittels einer App. Sie sehen, wir profitieren und lernen viel voneinander.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Osteuropäern?

Sowohl in Polen als auch in der Ukraine bin ich bisher nur freundlichen, aufgeschlossenen und interessanten Menschen begegnet! Wenn ich 1.200 km nach Lemberg in der Ukraine reise, bin ich immer noch in Europa. Die gemeinsame europäische Vergangenheit ist ein Fundament, auf dem man die gemeinsame europäische Zukunft aufbauen kann. Diesen Wunsch merke ich in Polen und der Ukraine immer wieder. Daraus erwächst das Interesse aneinander. Ein Klischee möchte ich auch noch nennen, weil es stimmt: Die Gastfreundschaft in Osteuropa ist unbeschreiblich herzlich! Die Menschen sind stolz auf ihre Kultur und ihre Traditionen und empfangen und umsorgen ihre Gäste mit offenen Armen.

Was entspannt Sie, wenn Sie nicht im Rathaus sind?

Als ehemaliger Nebenerwerbslandwirt bin ich am liebsten in meinem 4.000 m2 großen Garten unterwegs. Einmal richtig schwitzen, das ist besser als jede Büroarbeit!

 Herr Börner, recht herzlichen Dank für dieses Interview!

Weiterführende Informationen

 Hier geht es zum Rathaus in Gudensberg: https://www.gudensberg.de/

 Wer mehr zu den internationalen Partnerschaften erfahren möchten, findet hier einen guten Ausgangspunkt für eigene Recherchen: https://www.gudensberg.de/kunst-kultur/internationale-partnerschaften/

Gudensberger Stadtverwaltung papierlos, so berichtet die Lokalpresse: https://www.lokalo24.de/lokales/schwalm-eder-kreis/heimat-nachrichten/bueros-gudensberger-rathaus-sind-jetzt-papierlos-13563195.html

 Stadt Gudensberg und die ekom21 unterstützen die ukrainische Stadt Schtschyrez: https://www.ekom21.de/infocenter/einfo21-digital/2018/maerz/monitore-fuer-die-ukraine/