Experten im Dialog

Dr. Klaus Effing, Vorstand der KGSt

Was macht die KGSt?

Die Abkürzung steht für „Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement“. Wir unterstützen seit über 70 Jahren Kommunen bei allen Fragen des kommunalen Managements – unabhängig von Staat und politischen Parteien. Zu unseren Mitgliedern zählen Städte, Kreise, Gemeinden und Verwaltungsorganisationen aller Größenordnungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wir kooperieren mit kommunalen Spitzenverbänden, mit innovativen Kommunalverwaltungen der Nachbarländer, Hochschulen und Bereichen der Privatwirtschaft. Damit Sie eine Vorstellung von der Größe haben: Vor kurzem haben wir das 2.222. Mitglied begrüßt.

Wie sieht die Unterstützung der KGSt für Kommunen und kommunale Verwaltungen konkret aus?

Gemeinsam mit kommunalen Praktiker*innen erarbeiten wir Strategien und innovative Lösungen im Finanz-, Organisations-, Personal- und Informationsmanagement. Weitere kommunale Fachthemen sind beispielweise Soziales, Kultur oder Wirtschaftsförderung. Die Arbeitsergebnisse stellen wir unseren Mitgliedern für ihre tägliche Arbeit über unser Portal www.kgst.de zur Verfügung. Fachlicher Austausch ist essenziell, deshalb organisieren wir zusätzlich alle drei Jahre Deutschlands größten kommunalen Fachkongress, das KGSt®-FORUM. Der nächste Kongress findet vom 6. bis 8. Oktober 2021 in Bonn statt.

Welche Themen beherrschen die Kommunen aktuell?

In den vergangenen Monaten war Corona natürlich das zentrale Thema – und das wird es wohl auch noch eine Weile bleiben. Alle Kommunalverwaltungen waren gezwungen, kurzfristig zu reagieren und bestehende Prozesse unmittelbar anzupassen. Es mussten sofort Lösungen gefunden werden, um die Arbeit aus dem Homeoffice zu ermöglichen und mit den Bürger*innen in Kontakt zu bleiben. Themen wie „Mobile Arbeit“ und Videokonferenzen haben einen enormen Anstoß erhalten.

Hinzu kommt: Die finanzielle Dimension der Krise ist noch nicht abschätzbar. Das beschäftigt die Kommunen besonders, denn die Grundlagen für die bisherigen Planungen und Budgets haben sich schlagartig geändert. Verantwortliche müssen sich bei Haushalts- und Mittelfristplanung mit unerwarteten, völlig neuen Rahmenbedingungen befassen.

Deshalb haben wir als KGSt gleich zu Beginn der Krise unkomplizierte Angebote entwickelt. Mit einer Corona-Austauschplattform, kostenfreien Webinaren und Denkanstößen bieten wir Mitarbeiter*innen auch im Homeoffice die bestmögliche Hilfe.

Wie würden Sie den Umgang mit der aktuellen Krise einordnen? In wie weit hat COVID-19 als Beschleuniger gewirkt?

Das Gute am Schlechten war das Tempo: In den vergangenen Monaten wurde möglich, was zuvor nicht denkbar war. Die Lernkurve war bei uns allen in den vergangenen Wochen extrem hoch. Wir haben zu vielen Themen neue und wertvolle Erfahrungen gesammelt: Homeoffice und mobile Arbeit, Führung auf Distanz, Nutzung von Social Media zwecks Information der Bürger*innen, Online-Bewerbungsmanagement, Cloud-Anwendungen und vieles mehr.

Und immer spielt Digitalisierung eine Schlüsselrolle. Die Corona-Krise führt uns verstärkt vor Augen, was alles in den vergangenen Jahren in diesem Zusammenhang verpasst wurde. Klar ist: Die Digitalisierung der Kommunen darf nicht dem Zufall überlassen werden – wir müssen sie aktiv mit allen Akteur*innen im Ökosystem der Digitalisierung gestalten.

Außerdem ist die Bereitschaft gestiegen, sich strukturell und dauerhaft mit Risiken und Reaktionsfähigkeit auseinanderzusetzen. Die Spanne reicht vom finanziellen Risikomanagement über Pläne und Konzepte für bestimmte Risikofelder, die schnell und zuverlässig aktiviert werden können, bis hin zum Ausbau eines verwaltungsweiten, systematischen Risikomanagements.

Welche Herausforderungen über die aktuellen Verwerfungen hinaus machen Sie in der kommunalen Verwaltung aus?

Aktuell ist Digitalisierung allgegenwärtig und beschäftigt uns mehr denn je. Sie wirkt wie ein Katalysator. Das Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die kommunale Welt und wird sie in den nächsten Jahren transformativ auf den Kopf stellen. Unser Anspruch ist es, dass Kommunalverwaltungen nicht nur reagieren, sondern Veränderungen in diesem Zusammenhang aktiv gestalten.

Als zweites zeigt sich der demografische Wandel in den Kommunalverwaltungen in verschiedenen Facetten. Ein Aspekt ist beispielsweise der viel beschriebene Fachkräftemangel. Es wird zunehmend schwieriger, geeignete qualifizierte Mitarbeiter*innen zu finden. Nach speziellen Berufsgruppen wie Ingenieur*innen oder Erzieher*innen zeigt sich der Mangel auch in den klassischen Verwaltungsberufen. Eine andere Facette ist die zunehmende Generationenvielfalt in der Belegschaft. Altersgemischte Teams werden die Regel – mit allen Vor(ur)teilen auf beiden Seiten. Werte, Einstellungen und Arbeitsweisen werden heterogener. Daher sind Kommunalverwaltungen gefordert, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die dieser Vielfalt gerecht wird und allen produktives Arbeiten ermöglicht.

Eine dritte große Herausforderung ist die Gesundheitsförderung der Mitarbeiter*innen. Kommunalverwaltungen bieten hier bereits einiges an. Gleichzeitig zeigen uns die Statistiken der Krankenkassen ein wichtiges Handlungsfeld für die Zukunft: Psychische Erkrankungen nehmen deutlich zu. Der geeignete Umgang hiermit – etwa durch Präventionsmaßnahmen oder Unterstützungsangebote – ist schon heute wichtig und wird es bleiben. Gute arbeitsergonomische Rahmenbedingungen und Bewegungsangebote sind ebenfalls aktuell. Sie sehen, die Herausforderungen werden nicht weniger!

Wenn Sie die Digitalisierung als eine zentrale Herausforderung nennen: Was sollten Bürgermeister*innen und Verantwortliche unternehmen, um diese Herausforderung zu lösen?

Nur wer die Digitalisierung ganzheitlich betrachtet, kann ihre Auswirkungen auf die Kommunalverwaltung im „Ökosystem der Digitalisierung” wirklich verstehen. Dazu braucht die Verwaltung neben einer zukunftsfähigen IT-Infrastruktur auch eine „Digitale Haltung” sowie ein gemeinsames Verständnis von Digitalisierung.

Systematische Digitalisierung und der Aufbau intelligenter Netzwerke brauchen klar geregelte Verantwortlichkeiten. Mit entsprechenden Rollen kann man Menschen dabei unterstützen, digital zu denken. Ich denke etwa an Chief Digital Officers (CDOs), die die Digitalisierung fachbereichsübergreifend und ganzheitlich koordinieren. Diese Rollen helfen, Verantwortungsbereiche zu erkennen, voneinander abzugrenzen und die Digitalisierung im Sinne einer zunehmenden Vernetzung erfolgreich umzusetzen.

Erleben wir einen Mentalitätswandel hin zu einem „Willen zum Gelingen“?

Die aktuelle Situation führt uns besonders die Bedeutung der Rahmenbedingungen vor Augen, in denen wir entscheiden und arbeiten. Die Corona-Krise schafft neue Möglichkeiten, weil sich die Rahmenbedingungen verändern: Homeoffice wird deutlich ausgeweitet, Meetings werden virtuell durchgeführt und Workflows digitalisiert.

Der Wille zum Gelingen war schon immer da – jetzt trifft er auf „ermöglichende“ Prozesse und Strukturen. Regelungen werden hinterfragt, Entscheidungswege verkürzt. Und je mehr Erfahrungen wir in den Organisationen mit neuen Rahmenbedingungen sammeln, desto mehr lernen wir, welche Freiräume nützlich und sinnvoll sind und wo weiterhin Regelungsbedarf besteht. Kurz gesagt: Mentalitätswandel und Organisationswandel bedingen sich gegenseitig. Bürgermeister*innen und Landrät*innen werden zukünftig mehr gestalten als verwalten!

Innovationen – welche Neuerungen zeichnen sich ab, die Verwaltungen anhaltend verändern und verbessern werden?

Die Pandemie hat uns radikal die Bedeutung des Staates (Bund, Länder, Kommunen) vor Augen geführt und die Daseinsvorsorge aus der Fachdiskussion geholt. Wir sehen, wie wichtig eine funktionierende örtliche Gemeinschaft ist – eine Gesellschaft, die über „Selbstheilungskräfte” verfügt. Videokonferenzen und Homeoffice haben es vielen Organisationen erlaubt, weiterzuarbeiten. Wir sehen aber auch, wo wir in Sachen Digitalisierung noch Auf- und Nachholbedarf haben – beispielsweise ist es um unsere digitale Souveränität nicht immer gut bestellt.

Digitale kommunale Daseinsvorsorge ist ein zentraler Aspekt und geht weit über flächendeckende Breitbandversorgung und klassische Verwaltungsaufgaben hinaus. Gefragt sind innovative Angebote im Bereich der Bildung, des Mobilitätsmanagements, der Nachbarschaftshilfe und gegen eine digitale Spaltung sowie für selbstwirksame örtliche Gemeinschaften. Kommunen sollten kooperieren und nicht alles selbst machen. Gemeinsame Plattformen und einheitliche Standards sind hier die Lösung.

Sie haben vorhin schon auf den Fachkräftemangel hingewiesen – wie begegnen Kommunen der Situation am besten?

Um den Wandel der Arbeitswelt erfolgreich zu meistern, ist das Personalmanagement (Mit-) Gestalter und strategischer Partner von Verwaltungsspitze und Führungskräften. Denn die richtigen und richtig unterstützenden Mitarbeiter*innen sind die zentrale Säule für die Leistungsfähigkeit einer wirksamen Kommune. Dafür müssen Kommunen als attraktive Arbeitgeber neue Mitarbeiter*innen gewinnen und die Beschäftigten insgesamt dauerhaft an sich binden.

Diese Bindung ist kein „nice to have“, sondern ein zentraler Erfolgsfaktor zur Bewältigung des Fach- und Führungskräftemangels und zum Erhalt der Leistungsfähigkeit von Kommunen. Je besser Kommunen die Erwartungen und Werte ihrer Beschäftigten kennen, desto eher erzeugen sie eine starke Bindung. Das ist eine wichtige Voraussetzung, damit sich das volle Potenzial entfaltet.

Was wären Ihre wichtigsten drei Empfehlungen an die kommunalen Verantwortungsträger?

Erstens: Den Veränderungsschwung der letzten Monate mitnehmen, aus den Krisenerfahrungen lernen und auf diesen Erkenntnissen gezielt aufbauen

Zweitens: Die Digitalisierung mit allen Beteiligten aktiv gestalten und nicht dem Zufall überlassen

Drittens: Ein professionelles, agiles Projektmanagement nutzen, um damit auch in Krisen schnell handlungsfähig sein.

Was entspannt Sie, wenn Sie sich nicht mit Verwaltung beschäftigen?

Köln bietet reichlich Gelegenheit, sich zu entspannen. Ob Kwartier Lateng, Kasalla, Kölsch oder Karneval – in der weltoffenen „Stadt met K“ fühle ich mich pudelwohl. Auch Theater und Fußball bringen mich auf andere Gedanken. Schon lange bin ich treuer Fan des Fußballvereins Sportfreunde Lotte und auf Bundesligaebene kickt mich der BVB. Dann wandere ich sehr gerne, bisher am liebsten im Teutoburger Wald in meiner früheren Heimatregion. Da mein KGSt-Fokus jetzt auf den gesamten deutschsprachigen Raum ausgerichtet ist, werde ich mir noch unbekannte Wandergebiete in den Bundesländern von Österreich Deutschland und in den Kantonen der Schweiz suchen. Köln ist dafür ein idealer Ausgangspunkt. Wander-Tipps immer gern an mich!

Herr Effing, vielen Dank für das Gespräch.


Weiterführende Informationen

Hier geht es zur KGSt und ihrem umfangreichen Informationsangebot: www.kgst.de