Das Bürgerbüro der Stadt Offenbach

Service heute und in Zukunft 

einfo21 digital: Bevor wir zum Bürgerbüro der Zukunft kommen – wie ist das Bürgerbüro denn grundsätzlich entstanden?

Martina Fuchs: Die Stadt Offenbach hat eine Vorreiterrolle eingenommen und ein Stück Verwaltungsgeschichte geschrieben. 1999 haben wir in Offenbach drei zuvor getrennte Bereiche – das Einwohnermeldeamt, die Kfz-Zulassungsstelle und die Führerscheinstelle – zu einer gemeinsamen Einheit zusammengeführt. So konnten Bürgerinnen und Bürger möglichst viele Anliegen in einem einzigen Besuch und „aus einer Hand“ klären.

Unser damaliger Oberbürgermeister sah das Bürgerbüro als zentrales Aushängeschild der Stadtverwaltung. Aus dieser Überzeugung heraus wurde 2008 entschieden, das Bürgerbüro als eigenständiges Amt zu etablieren und damit seinem hohen Stellenwert für Bürgerinnen und Bürger und Stadt gerecht zu werden. Seitdem leite ich das Bürgerbüro.

einfo21 digital: Was macht das Bürgerbüro heute aus?

Martina Fuchs: Heute bewältigen wir etwa 120.000 Kundenkontakte im Jahr – das ist eine enorme Anzahl, die das Bürgerbüro zu einer zentralen Anlaufstelle der Stadt macht. Die Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger sind sehr positiv; wir spüren, dass unsere Arbeit geschätzt wird. Auch technisch sind wir gut aufgestellt, um diese Vielzahl an Kontakten effizient abzuwickeln. Das Bürgerbüro ist zwar ein „Massengeschäft“, aber eines, das bei den Bürgerinnen und Bürgern für hohe Zufriedenheit sorgt.

einfo21 digital: Was macht die Arbeit im Bürgerbüro so spannend?

Martina Fuchs: Besonders die Vielfalt der Menschen, mit denen wir zu tun haben. Wir begegnen jungen und älteren Bürgerinnen und Bürgern, Familien und prominenten Persönlichkeiten wie dem ehemaligen hessischen Minister und Offenbacher Tarek Al-Wazir, der hier bei uns seinen Pass verlängern lässt. Dieser bunte Mix aus verschiedenen Hintergründen und Lebensgeschichten bringt Abwechslung und macht die Arbeit interessant.

Hinzu kommt, dass es mir als gebürtiger Offenbacherin viel bedeutet, etwas für meine Stadt und ihre Menschen zu tun. Hier lebe ich schon mein ganzes Leben und die Arbeit für Offenbach ist für mich eine Herzensangelegenheit. Unser großartiges Team brennt für den Kunden und sucht immer nach Lösungen. Die Zusammenarbeit und der starke Teamgeist machen diese Aufgabe zu etwas ganz Besonderem.

einfo21 digital: Was sind Herausforderungen, vor denen Bürgerbüros aktuell stehen?

Martina Fuchs: Eine zentrale Herausforderung ist es, mehr Bürgerinnen und Bürger zur Nutzung unserer Online-Services zu motivieren. Gemeinsam mit Partnern wie der ekom21 haben wir in den letzten Jahren stark in digitale Angebote investiert – jetzt müssen diese auch genutzt werden.

Eine zweite Herausforderung ist der Fachkräftemangel. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt, und es wird schwieriger, Personal zu finden. Daher ist es umso wichtiger, dass Bürgerinnen und Bürger standardisierte Anliegen wie Führungszeugnisse oder Fahrzeugabmeldungen digital erledigen können. Solche Vorgänge lassen sich einfach und bequemer von zu Hause abwickeln und entlasten zugleich unser Team im Präsenzbetrieb.

einfo21 digital: Wie begegnet das Bürgerbüro Offenbach diesen Herausforderungen?

Martina Fuchs: Ein Schlüssel ist die verstärkte Nutzung unserer Online-Dienste, und dazu leisten wir gezielte Aufklärungsarbeit. Die meisten digitalen Verwaltungsservices sind inzwischen einfach nutzbar. Oft braucht man dafür nur zwei Dinge: die PIN für den Personalausweis und ein Konto bei BundID. Hier setzen wir auf Aufklärung, damit Bürgerinnen und Bürger den Service bequem online nutzen können. Ein gutes Beispiel ist die Geburtsurkunde: Diese kann man digital hinterlegen und bei Bedarf immer direkt abrufen.

einfo21 digital: Wie kompensieren Sie knappe Ressourcen?

Martina Fuchs: Unser Terminmanagement hilft, knappe Ressourcen gezielt einzusetzen. Wir bitten die Bürgerinnen und Bürger, vorab einen Termin zu vereinbaren, bevor sie ins Bürgerbüro kommen. So stellen wir sicher, dass die begrenzten persönlichen Beratungsressourcen für Anliegen zur Verfügung stehen, die wirklich eine persönliche Beratung erfordern. Intern setzen wir seit langem auf Digitalisierung und Innovation mit Entwicklungspartnern.

einfo21 digital: Wie gehen Sie mit dem Fachkräftemangel um?

Martina Fuchs: Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, investieren wir in moderne Arbeitsbedingungen und eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Attraktive Büros und zeitgemäße Ausstattung signalisieren Wertschätzung und schaffen eine Umgebung, in der sich die Mitarbeitenden wohlfühlen. Es ist uns wichtig, dass das Bürgerbüro als „Aushängeschild der Stadtverwaltung“ eine moderne und einladende Atmosphäre bietet – das steigert die Zufriedenheit und macht uns zu einem attraktiven Arbeitgeber.

einfo21 digital: Wie gestalten Sie den Arbeitsalltag im Bürgerbüro, um ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen?

Martina Fuchs: Teamarbeit und eine gute Kommunikation sind bei uns zentral. Jeden Morgen halten wir ein kurzes Briefing ab, damit alle auf dem gleichen Stand sind und sich als Team erleben. Das sorgt für Klarheit, stärkt den Zusammenhalt und schafft Motivation für den Tag.

Da es schwer ist, qualifizierte Verwaltungsfachkräfte zu finden, legen wir besonderen Wert auf ein strukturiertes Onboarding. Neue Mitarbeitende, häufig aus anderen Branchen, werden durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen eingearbeitet. Patenschaften und regelmäßige Treffen fördern den Wissensaustausch und stärken die Zusammenarbeit.

Unser Team ist ebenso bunt wie Offenbach selbst – Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichen Sprachhintergründen arbeiten hier zusammen. Das kommt bei den Bürgerinnen und Bürgern gut an, besonders wenn Sprachbarrieren im Raum stehen. In einer Stadt wie Offenbach, mit vielen Menschen unterschiedlicher Herkunft, ist das ein großer Vorteil.

Martina Fuchs: Ein zentraler Trend ist die Digitalisierung interner Abläufe, wie wir sie gerade durch Robotic Process Automation (RPA) umsetzen. Dabei kommen Software-Roboter zum Einsatz – Programme, die bestimmte Aufgaben nach festgelegten Regeln automatisch erledigen, ähnlich wie ein Mensch am Computer arbeiten würde. Diese Software-Roboter helfen uns, standardisierte und wiederkehrende Tätigkeiten zu automatisieren und so Kapazitäten für komplexere Anliegen freizusetzen. Ein Beispiel ist EMMA – ein Tool, das einfache Vorgänge übernimmt und ohne Pausen rund um die Uhr im Einsatz ist.

[Anm. Redaktion: EMMA ist die RPA-Lösung der ekom21]

einfo21 digital: Gibt es auch organisatorische Veränderungen, die Sie verfolgen?

Martina Fuchs: Ja, ein wichtiger Trend ist die Überwindung von Silo-Denken. Früher arbeiteten etwa Einwohnermeldeamt und Einbürgerungsbehörde strikt getrennt, was zu unnötigem Mehraufwand führte. Heute können wir beispielsweise bei der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde direkt den Personalausweis mitbeantragen – alles aus einer Hand. Das schafft mehr Flexibilität und ermöglicht uns, Personal je nach Saisonbedarf effizienter einzusetzen. So sind wir in der Pass-Hochsaison während der Sommermonate entlastet und haben die benötigten Kapazitäten. Im weiteren Jahresverlauf stehen uns dann die Kapazitäten für die Bearbeitung von Einbürgerungen zur Verfügung.

einfo21 digital: Gibt es andere "Vorbildkommunen", mit denen Sie zusammenarbeiten?

Martina Fuchs: Ein gutes Beispiel ist Heidelberg, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Dort wurde vor anderthalb Jahren eine Videosprechstunde eingeführt – eine großartige Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger, Dienstleistungen bequem von zu Hause zu erledigen, wenn keine Originaldokumente erforderlich sind. So können etwa Anfragen zur Ummeldung der Wohnung oder die Ausstellung von Bescheinigungen direkt per Video erledigt werden, oft auch mit Ausweiskontrolle über die Kamera.

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eröffnet das Modell die Option, zumindest teilweise im Homeoffice zu arbeiten – eine Möglichkeit, die in der Kundenberatung zuvor kaum denkbar war. Diese Kombination aus Kundenservice und Mitarbeiterorientierung ist eine echte Innovation, die wir uns auch für Offenbach vorstellen könnten.

einfo21 digital: Welche organisatorischen und technischen Voraussetzungen sind notwendig, um das Bürgerbüro zukunftsfähig zu machen?

Martina Fuchs: Eine zentrale Voraussetzung ist die Anpassungsfähigkeit von Mitarbeitenden und Strukturen. Führungskräfte müssen ihre Teams darauf vorbereiten, regelmäßig neue Tools und Prozesse zu nutzen. Auch die traditionelle, hierarchische Organisation wird zunehmend an Bedeutung verlieren. Stattdessen rücken agile Arbeitsweisen in den Vordergrund, die mehr Flexibilität und Eigenverantwortung im Team fördern.

Datensicherheit und Innovationsstärke sind ebenfalls entscheidend, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu bewahren. Hier unterstützen uns IT-Partner wie die ekom21, die nicht nur für sichere und qualitativ hochwertige Systeme sorgen, sondern auch bei der technischen Weiterentwicklung an unserer Seite stehen.

einfo21 digital: Wie wird sich das Bürgerbüro bis 2035 weiterentwickeln?

Martina Fuchs: Ich bin mir sicher, dass es auch 2035 noch persönliche Kundenkontakte geben wird, allerdings in geringerem Umfang als heute. Die Mehrheit der Abläufe wird automatisiert und digitalisiert ablaufen, sodass Bürgerbüros sich stärker auf technische Prozesse konzentrieren. Einiges, was heute noch als physisches Dokument erforderlich ist, wird dann vermutlich nur noch digital existieren – etwa Führerscheine oder Fahrzeugpapiere in Form von Wallet-Lösungen.


Weiterführende Informationen:

  • BundID oder auch Nutzerkonto Bund genannt – hier beginnt der Weg zu mehr Bürgerkomfort: https://id.bund.de/de