Expertinnen im Dialog

Interview mit Gabriele Büsse, ekom21

Sie leiten den Bereich IT-Operations. Was genau sind Ihre Aufgaben?

Meine Aufgaben gliedern sich in operative sowie strategische Aufgaben und vor allem die Personalführung.

Bei den operativen Aufgaben liegt der Schwerpunkt auf dem laufenden Betrieb, was sehr gegenwartsbezogen ist. Die strategischen Aufgaben sind stärker planerisch und in die Zukunft gerichtet. Hierzu gehören sowohl technische und wirtschaftliche Konzepte, als auch Sonderaufträge der Geschäftsführung. Ich plane Aufgaben und Ressourcen, manage Risiken, organisiere Kooperationen und führe meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Als wichtigste Aufgabe sehe ich die Personalführung. Hier geht es um klassische Management-Aufgaben wie Personalauswahl und -steuerung, Moderation und auch Personalentwicklung. Ich verstehe mich vor allem als jemand, der für seine 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Steine aus dem Weg räumt, sie fördert und fordert und die Leistungen der Kollegen sichtbar macht.

Damit man die Dimensionen des ekom21-Rechenzentrums abschätzen kann: Könnten Sie uns einen Überblick und Zahlen geben?

Einverstanden, lassen wir doch einfach die Zahlen für sich sprechen. Wir haben rund 500 Mitglieder in Hessen und einige weitere Kunden im Bundesgebiet. Insgesamt bedienen wir damit mehr als 29.000 Endanwender.

Mehr als 60 Verfahren betreuen wir für die kommunalen Kunden, hierfür sind mehr als 2.500 Server in Betrieb, davon über 90 Prozent virtualisiert. Ein eigenes MPLS-Netz (Multiprotocol Label Switching, zum Betreiben großer Transportnetze; Anmerkung der Redaktion) für unsere Kunden sichert die Datenübertragung.

Wir haben ca. zwei Petabyte Datenvolumen (eine 2 mit 15 Nullen; Anmerkung der Redaktion) – Tendenz steigend unter Management. Unsere Anwendungen stehen 7 mal 24 Stunden pro Woche – bis auf definierte Wartungsfenster – zur Verfügung.

 Hinzu kommen noch über 60 Millionen Druckseiten pro Jahr, die unser Druckzentrum trotz Digitalisierung produziert. Dienstleistungen für mehr als 100 Kunden vor Ort erbringen wir durch Services und Support und, last but not least, machten unsere Hard- und Software-Angebote an Kommunen und Schulen im Jahr 2020 mehr als 120 Millionen Euro Umsatzvolumen aus.

Sie sehen, das Rechenzentrum der ekom21 bewegt einiges. Hessen ist hier auch einzigartig, weil wir bereits ab 1995 die Ressourcen gebündelt und konzentriert haben. Andere Bundesländer fangen mit diesem Schritt gerade erst an.

Das sind beeindruckende Zahlen. Welche Bedeutung haben die Rechenzentren für die IT insgesamt? Wo ist der Unterschied zur Cloud?

Ohne Rechenzentren (RZ) gibt es keine Cloud, denn Rechenzentren sind die technische Basis und Motoren der Cloud. Die ekom21 lebt den Cloud-Gedanken schon seit über 50 Jahren. Mit dem Siegeszug der öffentlichen Clouds hat sich die Technik allerdings bis zu den privaten Nutzern durchgesetzt und ist damit ins breite öffentliche Bewusstsein eingetreten.

Das lässt auch die Bedeutung des RZ steigen. Der Grund? Viele Kunden, gerade im öffentlichen Bereich, sehen sich Anforderungen von Datenschutz und IT-Sicherheit gegenüber, die sie in einer eigenen Umgebung nicht erfüllen können oder wollen. Die Komplexität der Infrastruktur nimmt zu, die Ausbildungsanforderungen an das Personal werden höher. Auch der Fachkräfte-Mangel treibt die Konzentration in Rechenzentren. Und hier kommt die ekom21 als Dienstleister ins Spiel, der mit seinem RZ- und IT-Knowhow diese Aufgaben der Kommunen zuverlässig und kostengünstig übernimmt. Die Kommunen fühlen sich in einem ortsgebunden RZ wohler als in der öffentlichen Cloud, was angesichts kritischer Daten und Dienste sowie deren Verfügbarkeit auch durchaus nachvollziehbar ist.

„Chefin des Rechenzentrums“ – ist das eher ein ruhiger Job oder gibt es viele Veränderungen?

Na ja, als ruhig würde ich meinen Job nicht bezeichnen (lacht). Er ist eher interessant, vielfältig und anspruchsvoll. Ich liebe ihn und vor allem habe ich sehr viel Freude daran, mit all meinen Kolleginnen und Kollegen Tag für Tag die neuen Herausforderungen zu meistern und Neuland zu betreten. Routine kommt in meinem Job nicht vor.

Was treibt die Entwicklungsdynamik?

Da gibt es eine Reihe Treiber. Das Wichtigste aus meiner Sicht ist, dass Entwicklungszyklen der Anwendungen immer kürzer werden. Gerade jetzt in der Corona-Zeit mussten wir häufig neue Anwendungen, beispielsweise die Soforthilfe oder den ALG II-Antrag, kurzfristig bereitstellen. Gleichzeitig sind Anwendungen untereinander immer vernetzter, denn unsere Kunden benötigen das. Verständlich, denn die Verwaltung ist schneller, wenn sie nicht bei jedem Schritt Daten erneut eingeben muss. Da ist beispielweise ein automatischer Datenaustausch ein klarer Effizienz-Hebel.

Apropos Daten, das ist natürlich ein ganz zentraler Aspekt. Datendrehscheiben als Grundvoraussetzung für viele kommunale Dienste spielen eine große Rolle. Ein letzter Aspekt betrifft die Bedienbarkeit – Self-Service und intuitive Bedienbarkeit sind weitere Treiber.

Woher kommen die neuen Anforderungen – von den Bürgern, den Kommunen, dem Gesetzgeber?

Von allen genannten Akteuren: Die Bürger wollen digital mit ihrer Kommune kommunizieren. Das heißt, sie wollen dann, wenn sie Zeit haben, ihr Auto zulassen, ihren Parkausweis erstellen oder ihren Hund anmelden. Die Kommunen wiederum sind Dienstleister für ihre Bürger. Sie wollen Prozesse digitalisieren und damit ihre Leistungen für den Bürger schneller und in hoher Qualität zur Verfügung stellen. Zugleich sind Kommunen bestrebt, interkommunal zusammenzuarbeiten; das erfordert entsprechende Technologie, um orts- und zeitunabhängig auf kommunale Verfahren zugreifen zu können. Und der Souverän legt – etwa mit dem Onlinezugangsgesetz – den Rahmen zur Digitalisierung der Verwaltung fest. Die Erwartung: Bis Ende 2022 sollen alle Verwaltungsleistungen elektronisch für Bürger und Unternehmen angeboten werden.

Die ekom21 betrachtet Trends sehr genau. Unser Ziel: Das Machbare wagen und dazu den Reifegrad von Trends genau einschätzen.

Edge Computing wird sicher mittelfristig ein Thema werden, da im Bereich Digitalisierung der Verwaltung eine Unmenge an Daten anfällt – z. B. Verkehrsleitsysteme, Planung für Neuausbau, demographische Entwicklungen. Thematiken rund um Clouddienste sind natürlich integraler Bestandteil unserer Strategie, da wir als Clouddienstleister für unsere Kunden agieren. Dazu haben wir unsere Infrastruktur (Hyperscale) so aufgebaut, dass wir sowohl horizontal als auch vertikal skalieren können. Dies wird in Zukunft auch vollautomatisch aufgrund bestimmter Lastszenarien erfolgen, im Moment bedarf es dazu noch menschlichen Zutuns. Die Automatisierung des RZ-Betriebs ist also noch ein wichtiges Thema. Zudem ist die ekom21 im Moment verstärkt im Bereich Container und Block-Chain engagiert. Beide Szenarien eröffnen uns eine Vielzahl von Möglichkeiten, um Anwendungen noch flexibler und sicherer zu betreiben.

Nachhaltigkeit ist ein großes gesellschaftliches Thema: Wie lässt sich IT betreiben, ohne das Klima in Mitleidenschaft zu ziehen?

Das ist Stand heute nur bedingt möglich. IT benötigt Strom, um zu funktionieren. Aber die Minimierung des Strombedarfs ist ein wichtiges Thema. Bei der ekom21 haben wir die gesamte Klimatechnik modernisiert und in Verbindung mit der Virtualisierung konnten wir den Stromverbrauch um über 65 Prozent reduzieren. Weiterhin bieten wir Kommunen die Option, ihre Systeme bei uns zu betreiben und so vor Ort die Strom- und Klimakosten gegen Null zu fahren. Auch achten wir bei Neuanschaffungen auf Systeme mit optimiertem Strombedarf.

Sie sind eine erfahrene IT-Managerin – wie sah IT vor 10 Jahren aus, wie wird IT 2030 aussehen?

Vor zehn Jahren sah die IT komplett anders aus. Wir hatten noch die letzten Mainframe-Anwendungen im Einsatz, der 7 mal 24 Stunden-Einsatz pro Woche war kein Thema und Anwendungen wurden über Citrix zur Verfügung gestellt. Bandbreiten von rund zwei Mbit (Megabit; Anmerkung der Redaktion) waren die Regel, mobile Geräte gab es in unseren Anwendungen noch nicht und auch das Home-Office war die Ausnahme.

In 2030 werden wir hoffentlich manche der heutigen Beschränkungen überwunden haben. Bandbreite wird kein Thema mehr sein, Arbeitsplätze werden nicht mehr an einen Ort gebunden sein. Ob Tablet, Handy oder Laptop – jede Anwendung kann alle Medien bedienen und der 7 mal 24 Stunden-Betrieb pro Woche ist die Regel. Konkret im RZ wird die Virtualisierung voranschreiten und neue Technologien erleichtern die Vernetzung der kommunalen Rechenzentren untereinander. Dann können diese arbeitsteilig vorgehen und sich auf einzelne Verfahren konzentrieren – unter Umständen auch deutschlandweit. Hybrid Cloud-Modelle halten Einzug in die kommunalen Rechenzentren, die Blockchain-Technologie wird breit zum Einsatz kommen.

Was halten Sie von GAIA-X und wie schätzen Sie die Chancen ein?

(GAIA-X ist ein Projekt zum Aufbau einer sicheren Dateninfrastruktur für Europa; Anm. der Redaktion)

GAIA-X ist ein interessanter Ansatz; aber es bleibt abzuwarten, wie sich die europäischen Partner in der Zusammenarbeit verhalten. Im kommunalen Umfeld wird es aus meiner Sicht mittelfristig keine Rolle spielen, obwohl digitale Souveränität gerade im Zusammenspiel mit Datenschutz und Wettbewerb essentiell ist.

Was entspannt Sie, wenn Sie sich nicht mit dem RZ beschäftigen?

Oh, da gibt es viele Tätigkeiten, die mir Freude machen. Zum einen liebe ich meinen Garten. Hier kann man der Natur nahe sein, etwas schaffen oder sich auch einfach nur kontemplativ aufhalten. Ich mag gerne ein gutes Buch lesen. Familie und Freunde lassen mich zu ganz anderen Gedanken als Bit, Byte und Petaflop aufbrechen. Aktiv bin ich aber auch und engagiere mich als Übungsleiterin im heimischen Sportverein.

Frau Büsse, herzlichen Dank für das Interview.