Wetzlar schreibt an der Digitalgeschichte mit

Online sicher anmelden? Mit Sicherheit!

Bitte vorab ein Statement zur Digitalisierung einer Kommune der Größe Wetzlars.

Unsere Herausforderung ist vielleicht gerade die Größe. Einerseits ist Wetzlar zu groß, um einfach fertige Lösungen aus der Box einzukaufen. Anderseits sind wir zu klein, um alle Lösungen selbst zu entwickeln und zu betreiben. Deshalb gilt es, einen Mittelweg zu finden. … Die Digitalisierung bringt aus meiner Sicht zwei wesentliche Vorteile: Transparenz und verbesserte Kommunikation. … Zugleich verbessert und ergänzt die Digitalisierung den Service für Bürgerinnen und Bürger – und zwar orts- und zeitunabhängig. Nehmen wir als Beispiel den Bewohnerparkausweis. Dieser kann auch abends am heimischen PC beantragt, bezahlt und ausgedruckt werden. Das ist Service, auch wenn das Rathaus geschlossen hat. …

Wir unterscheiden derzeit zwischen Verwaltungsdigitalisierung und Smart City. Im Bereich Verwaltungsdigitalisierung sind wir bereits sehr aktiv und auf einem sehr guten Weg. Das Thema Smart City erschließen wir uns noch – obwohl wir mit dem Projekt VLUID (s. unseren Bericht unter: https://www.ekom21.de/infocenter/einfo21-digital/2022/juli/kelschenbach-sc/) schon ein wirkliches dickes Brett gebohrt haben. Aber insgesamt können wir hier schlicht noch nicht auf die nötigen personellen Ressourcen zurückgreifen. Und die stehen eben am Anfang des erfolgreichen Wegs zur Smart City.

Nun zu ONCE: Sie sind Umsetzungspartner im Forschungsprojekt. Worum geht´s?

Dabei geht es um sichere digitale Identitäten. Plakativ: Ist Bastian Wetzler wirklich Bastian Wetzler oder gibt sich nur jemand als Bastian Wetzler aus? Was einfach klingt, ist im Cyberspace hoch komplex und lässt sich nur mit einer ganzen Reihe von Expertinnen und Experten entwickeln. Um etwas mehr ins Detail zu gehen: Im Projekt ONCE sollen Bürger mit ihrem Smartphone als Ausweis möglichst viele Dienstleistungen, der Stadt Wetzlar selbst, aber auch von Dritten, sicher in Anspruch nehmen können. Dabei müssen sich umgekehrt natürlich auch Stadt und Handel auf die sichere Identitätsfeststellung verlassen können. Die ausgewiesene Identität auf dem Smartphone muss zweifelsfrei mit der realen Person identisch sein. Die Herausforderung ist, einen aufwändigen vorherigen Registrierungsprozess zu vermeiden, denn den nehmen die Bürgerinnen und Bürger nur ungerne auf sich. Ein Beispiel: Wer in der Stadtbibliothek Bücher leiht, soll das mühelos mit einem Identitätsnachweis via Smartphone können. Gleichzeitig soll es unmöglich sein, unter falschem Namen Bücher zu entleihen. ONCE wird einfach sein und so alle Hürden nehmen.

Björn Kelschenbach, Leiter Personal- und Organisationsamts, Wetzlar

Wo sehen Sie die Aspekte des Projekts? Und wie wirkt Wetzlar mit?

Wir lernen – auch dank der kompetenten Unterstützung durch die ekom21 – sehr viel über Handytechnik, App-Entwicklung und Verschlüsselungssysteme. Manchmal sogar mehr, als mir lieb ist (schmunzelt). Auch das Projektmanagement in einem derart großen Forschungsprojekt hilft bei der persönlichen Entwicklung. Aber natürlich geht es vorrangig um die Weiterentwicklung der Stadt. Als Stadt Wetzlar steuern wir sogenannte Use Cases bei. Beispielsweise unsere Bibliothek als Ort, an dem man auch heute schon viele Leistungen digital erhält. Allerdings benötigt man zurzeit dazu noch einen Personalausweis. Der Ausweis ist aber nur ein Hilfsmittel, damit unser Softwaresystem die Nutzenden erkennt. Diese Identitätsfeststellung wollen wir jetzt aufs Handy bringen. Für die Stadt hat das viele Vorteile, denn eine sichere Identitätsfeststellung ist die Grundvoraussetzung für jeden digitalen Bürgerservice.

Neben dem digitalen Bibliotheksausweis: Was haben Sie noch vor?

Im Moment liegt der Fokus darauf, das Produkt in enger Zusammenarbeit mit der ekom21 zu entwickeln und einen vorführbaren Prototyp zu erstellen. Über die einzelnen Use Cases hinaus haben wir im Projekt aber auch schon die Idee der kommunalen Datenkarte – so unser Arbeitstitel – entwickelt. Die Karte kann in Zukunft der Schlüssel für alle Arten von Dienstleistungen sein. Auf Seiten der Stadt sind das etwa die Schwimmbäder, der ÖPNV oder die VHS. Wenn sich das Produkt etabliert, kann es auch für Handel und Gewerbe sowie Gastronomie und Tourismus ein tolles Tool werden, um die Identität der Kunden eindeutig festzustellen. Deshalb sind auch diese Branchen von Anfang an Teil von ONCE.

Wie wird der Umgang der Bürger mit Ihrer Stadtverwaltung in Zukunft aussehen?

Ich erwarte keine Quantensprünge – eine Stadtverwaltung ist dafür einfach zu vielgestaltig. Mit ONCE können wir aber viele Anmelde- und Registrierungsprozesse überflüssig machen und damit eine gutes Stück Bürokratie für die Bürgerinnen und Bürger abbauen. In Kombination mit Lösungen für E-Payment wird es die Chance geben, zu vielen Leistungen einfach Zugang per Handy zu erhalten.

Und wenn Sie nicht an Digitalisierungsprojekten arbeiten oder als Pandemiebeauftragter gefordert sind, was entspannt Sie?

Oh, da muss ich nicht lange überlegen: Das Lächeln meiner Kinder entspannt mich sehr und ist mein größtes Glück. Doch auch ein erfolgreicher Einsatz mit der Freiwilligen Feuerwehr Wetzlar bringt mich schnell auf andere Gedanken und wenn wir helfen konnten, ist das ein tolles Gefühl.

Vielen Dank für das Interview, Herr Kelschenbach!


Weiterführende Informationen