Mehrwerte für Kommunen

Smart City/Smart Region in der Praxis

Auch regional

Vom Namensbestandteil „City“ sollte man sich nicht irritieren lassen: Längst verfolgen nicht nur (Groß-) Städte das smarte Konzept. Vor allem in Hessen gilt: „Das Land kann digital!“, wie etwa der Bürgermeister von Neuental, Dr. Philipp Rottwilm, betont. Dazu haben sich die Neuentaler mit vier starken Nachbarkommunen als „Smart Region Schwalm-Eder-West“ zusammengeschlossen. „Gemeinsam treiben wir Digitalisierung und Vernetzung voran“, heißt es in Nordhessen selbstbewusst.

Und das smarte Schwalm-Eder-West ist bei Weitem nicht das einzige hessische Projekt. Mit Nachdruck verfolgt das Land das Ziel, eine Smart Region zu sein, in der alle Kommunen von der Digitalisierung profitieren. Seit 2019 gibt es mit Prof. Dr. Kristina Sinemus sogar eine eigene Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung. Ihr Team unterstützt Kommunen gezielt mit Förderprogrammen, Beratung und Netzwerk. Das Teilprogramm „Starke Heimat Hessen“ stellt von 2020 bis 2024 insgesamt 100 Millionen Euro für die Förderung smarter Kommunen bereit.

ROI und Mehrwerte

Welche Vorteile, welchen Mehrwert hat es, in Smart City-Technologie zu investieren? Wie misst man die Wertschöpfung? Diese Fragen lassen sich am besten beantworten, wenn man sich Beispiele für Smart City-Projekte in Hessen und ihren Return on Investment (ROI) genauer anschaut. Tatsächlich stammt die ROI-Betrachtung aus der Betriebswirtschaft und bezeichnet eine finanzielle Kennzahl, die Vorteile und Kosten einer Investition vergleicht. Sie wird berechnet, indem man Nettogewinn durch Gesamtkosten teilt – soweit die Theorie.

Die Umsetzung ist dann aber doch nicht so einfach, da viele Kosten weder quantifizierbar noch monetarisierbar sind. Wie lässt sich der Wert von verbesserter Bürgerzufriedenheit, hoher Aufenthaltsqualität der Innenstadt oder die Umweltqualität messen? Eine rein monetäre Kosten-Nutzen-Rechnung greift zu kurz. Weitere qualitative und quantitative Indikatoren sind nötig, um den vollen Wert von Smart City-Technologie zu erfassen. Hier geben Beispiele für Smart City-Projekte in Hessen mit ihren Vorteilen für die Bürger*innen den besten Eindruck:

Konkrete Vorteile

Frankfurt am Main: Die Finanzmetropole hat sich das Ziel gesetzt, mit Smart City-Technologien unter anderem Klimaschutz, Energieeffizienz und Ressourcenschonung anzugehen. Dafür hat die Stadt eine Urbane Datenplattform (auf Basis von cosma21) eingeführt. Der Kerngedanke in Frankfurt: Daten sind eine strategische Ressource. „Aus diesem Grunde wollen wir als öffentliche Verwaltung Daten umfänglich verfügbar machen und aus verschiedenen Quellen zusammenführen“, erklärt Eileen O’Sullivan, die zuständige Stadträtin, und betont die Vorteile: „Durch die visuell aufbereitete Bereitstellung und bereichsübergreifende Vernetzung geeigneter Daten werden den Bürgerinnen und Bürgern konkrete Mehrwerte geboten und der Verwaltung fundierte Analysen ermöglicht“.

Tatsächlich können Bürger*innen über die Urbane Datenplattform Umwelt- und Wetterdaten von Luftmessstationen in Echtzeit einsehen – beispielsweise CO, Ozon, Feinstaub, aber auch Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Wind. Auch zeigt das öffentliche Dashboard E-Ladesäulen im Stadtgebiet sowie das Verkehrsaufkommen. Der Nutzen ist groß und die Analyse-Möglichkeiten liefern der Verwaltung wichtige Steuerungsinformationen. Sogar eine internationale Auszeichnung hat das Projekt erhalten – innovativer Ansatz und Bürgernähe überzeugten die Jury. Weitere Smart City-Anwendungen sind in Arbeit. 

Landleben modernisieren

Auch jenseits der Ballungsräume Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden und Kassel ist Smart City in Schwung, etwa im nordhessischen Neuental. „Das Landleben modernisieren – das reizt mich und daraus sind drei größere Projekte entstanden: erstens die Infrastruktur, zweitens Gewerbeansiedlung und drittens das wichtige Projekt Smart Region Schwalm-Eder-West“, erläutert Bürgermeister Rottwilm und nennt die zentralen Handlungsfelder: „Fünf Entwicklungsfelder stehen für uns im Fokus: Smart Environment, Smart Building, Smart Lighting, Smart Tourism und Smart Traffic“. Die Begriffe stehen für konkrete Bürger-Lösungen (Use Cases). „Wir wollen etwa die Lärm- und Luftbelastung mit Sensorik messen und analysieren. Klimaschutz und Digitalisierung gehören zusammen. Dann können wir auf Fakten-Grundlagen die Wegeführung angehen oder entscheiden, wo beispielsweise beim Ausbau der Autobahn A49 ggf. mehr Lärmschutz notwendig ist. Dann stellen wir die Straßenbeleuchtung auf smarte Steuerung um. Dasselbe geschieht im Handlungsfeld Smart Building, wo wir Lüftung, Heizung und Beleuchtung in öffentlichen Gebäuden analysieren und optimal steuern können“. Und das ist nur ein Ausblick, denn Neuental und die zusammengeschlossenen Nachbargemeinden haben noch viel mehr vor.

Und der ROI?

Ob sich die Smart City-/Smart Region-Projekte rechnen, fragen wir. Philipp Rottwilm freut sich: „Auf jeden Fall rechnet es sich für Kommunen, in Digitalisierung zu investieren. Komfortgewinne und höhere Lebensqualität etwa durch besseren Umwelt- und Lärmschutz kommen bei jedem Bürger an. Und die bessere Ressourcen-Nutzung macht sich natürlich auch finanziell bemerkbar. Wir gehen von bis zu 30 Prozent Einsparung durch digitale Steuerung je nach Gebäudetyp aus. Das gilt auch für intelligente LED-Straßenbeleuchtung“.

In großen Schritten geht es auch in der Wetterau voran. Die Mittel- und Gesundheitsstadt Bad Nauheim hat ein Digitales Innenstadt-Managementsystem (DIM) implementiert. Basis ist eine offene urbane Datenplattform, die von vielen Sensoren mit Daten zu Verkehr und Mobilität, Umwelt und Klima oder auch Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit gefüllt wird. So können etwa Besucherströme gemessen und die optimale Leerungsfrequenz der Mülleimer bestimmt werden. Wer mittels Sensoren die Bodenfeuchte kennt, kann Bewässerungsfahrzeuge sinnvoller planen. Insgesamt lassen sich die Daten intelligent miteinander verknüpfen, evidenzbasierte Entscheidungen treffen und Ressourcen nachhaltig einsetzen. 

Die Vorteile für Bad Nauheim fasst Matthias Wieliki, Fachbereichsleiter Zentrale Steuerung der Stadt, zusammen und macht deutlich: „Tatsächlich verstehen wir digitale Möglichkeiten in der Stadt nur als Mittel zum Zweck. Ziel ist immer, das Leben der Menschen in Bad Nauheim zu verbessern und das Aufenthaltserlebnis für Gäste zu steigern. Wir denken also dort digital, wo wir Ressourcen durch Digitalisierung effizienter einsetzen können. Denn datengestützt treffen wir viel bessere Entscheidungen zu steuerungsrelevanten Themen für Bad Nauheim“.

Erfolgsfaktoren

Die Bad Nauheimer finden sich in Smart City-Rankings regelmäßig auf den ersten Plätzen. Wie schaffen die das? Oliver Wolf, Referent für Digitalisierung in Bad Nauheim, sieht das strategische Vorgehen als zentralen Punkt. Projekte habe es in einzelnen Fachbereichen bereits früher gegeben. Entscheidend aber war, diese Projekte zu bündeln, strategisch auszurichten und Synergien zu nutzen. „Wichtigstes Ergebnis ist die digitale Agenda. Diese ist, trotz unserer überschaubaren Größe, erfolgsentscheidend“, betont Wolf. 

Pragmatisch ist man dabei immer geblieben, für Sichtbarkeit und Akzeptanz sorgt der Nutzen: Während Corona hat die Stadt beispielsweise für ihre Gewerbetreibenden unter „badnauheimliebe.de“ ein digitales Schaufenster eingerichtet. „Pragmatisches und Mehrwert-stiftendes Vorgehen ist nicht nur in der Pandemie das erfolgsentscheidende Mindset“, betont Matthias Wieliki und ergänzt: „Der ROI kann sich schon bei einem Projekt und anschließend optimierter Entscheidungsgrundlage ergeben. Wir glauben, dass eine Smart City-Infrastruktur in ein paar Jahren Standard sein wird. Daher stellen wir jetzt die Weichen und investieren in die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt“.

Wert für Kommunen

Die Macher in Frankfurt, Neuental und Bad Nauheim zeigen beispielhaft, wie sie mit Smart City- bzw. Smart Region-Technologie in Kommunen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten Wert für ihre Bürger*innen schaffen: Lebensqualität, Nachhaltigkeit genauso wie direkte finanzielle Vorteile. 

Über 140 geförderte Smart City-Projekte verzeichnet die hessische Best-Practice-Datenbank (unter www.smarte-region-hessen.de), zahlreiche Projekte stehen an – es ist Schwung in die hessische Digitalisierung gekommen, auch wenn das OZG bundesweit noch Hürden zu nehmen hat. Der hessische Digitalindex spricht eine klare Sprache: Smart City und Smart Region schaffen Wert für die hessischen Bürger*innen.

 


Bei Fragen zum Einsatz der Smart City-/Smart Region-Lösungen der ekom21 schreiben Sie bitte eine    
E-Mail an: support-digitalisierung@ekom21.de.