Expertinnen im Dialog

Interview mit Dr. Annette Schmidt, FITKO

Die FITKO gibt es seit mehr als eineinhalb Jahren – wie war der Start, wo wollen Sie hin?

Tatsächlich sind wir ziemlich gut gestartet! Weil der Aufbaustab sehr gute Vorbereitungsarbeit und das Land Hessen wertvolle Unterstützung geleistet haben, konnte die FITKO am 1. Januar 2020 in Frankfurt als eigenständige Anstalt des öffentlichen Rechts ihre Arbeit offiziell aufnehmen.

Und auch der Personalaufbau kommt sehr gut voran. Mit 14 Beschäftigten sind wir gestartet. Mittlerweile haben wir 40 Beschäftigte und wachsen weiter. Unsere Mitarbeiter*innen kommen aus ganz unterschiedlichen fachlichen Kontexten. Das ist wichtig, denn wir wollen organisatorische und technische Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Das hilft uns auch dabei, über den Tellerrand hinauszuschauen und neue Wege zu bahnen.

Allerdings ist Corona natürlich eine große Herausforderung, die uns seit unseren Anfängen begleitet. Sei es das Onboarding neuer Mitarbeiter, Organisationsentwicklung, Austausch-Formate oder Themenentwicklung – viele essentielle Dinge der FITKO mussten wir digital organisieren und waren gleich mittendrin in der neuen Arbeitswelt. Für eine neue Organisation im personellen und inhaltlichen Wachstum ist das schon eine echte Hürde. Aber wir haben die Situation – vor allem dank dem Einsatz unserer Mitarbeiter*innen – gemeistert und die FITKO erfolgreich zum Laufen gebracht.

Was leistet die FITKO? Wo setzen Sie Schwerpunkte?

Dazu muss ich ein wenig ausholen. FITKO steht für „Föderale IT-Kooperation“ und unterstützt den IT-Planungsrat. Der IT-Planungsrat ist das politische Steuerungsgremium für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Fragen der Informationstechnik und Verwaltungsdigitalisierung und setzt sich aus den 16 Landes-CIOs und dem Bundes-CIO Markus Richter zusammen.

Die FITKO ist die operative Einheit zur Unterstützung dieses Gremiums. Denn man hat festgestellt, dass die Koordinierung von Bund und Ländern in IT-Fragen Vorbereitung, Durchdenken und Abstimmungen erfordert. Genau diese organisatorischen und fachlichen Aufgaben haben wir 2020 übernommen.

Das heißt, unsere Hauptaufgabe ist die Bündelung aller Aktivitäten zur Digitalisierung der Verwaltung im Zuständigkeitsbereich des IT-Planungsrates – also von Bund und Ländern – plus die Erarbeitung und Umsetzung der föderalen IT-Strategie. Zusätzlich übernehmen wir die operative Steuerung von Projekten des IT-Planungsrates und bewirtschaften das 180 Millionen Euro umfassende Digitalisierungsbudget. Mit diesem Budget sollen Projekte und Aktivitäten unterstützt werden, die der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen auf allen föderalen Ebenen zugutekommen. Es leistet damit also auch einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes.

 Welche Angebote mit Bezug zu Hessen entwickeln Sie gerade?

Ein Projektbeispiel aus Hessen, das auch aus dem Digitalisierungsbudget gefördert wird, sorgt für Bildungsangebote auf Hochschulniveau rund um die Themen E-Government und Verwaltungsinformatik: Der eGov-Campus. Hessen hat eine digitale Lernplattform geschaffen, auf der Kurse, Vorlesungen und Lernmodule für Verwaltungsprofis angeboten werden. Hier kann man auch schön das „KO“ in FITKO sehen: Hessen erstellt mit der Lernplattform die technische Basis, Inhalte liefern dann die Hochschulen bundesweit – etwa die Universität Lübeck den Kurs „KI in der Öffentlichen Verwaltung“. Davon profitieren alle Beteiligten.

Wie unterstützt die FITKO die hessischen Kommunen?

Da wir an der Schnittstelle zwischen Bund und Ländern arbeiten, gibt es keine direkten Projekte ausschließlich für hessische Kommunen. Aber wir liefern und sorgen für die Infrastruktur in Bund, Ländern und Kommunen – in Hessen und den anderen Bundesländern.

Und das ist zentral: Denn oftmals machen jede Stadt, jeder Kreis und jedes Land ihr eigenes Ding. Das erschwert den datenschutzkonformen Austausch von Daten und damit generell die Zusammenarbeit. Deshalb arbeiten wir an gemeinsamen Richtlinien, Standards und Schnittstellen, um mit einer bundesweiten IT-Infrastruktur die Digitalisierung zu erleichtern und zu beschleunigen.

Als Beispiel sei das Architekturboard genannt, das als neues Gremium des IT-Planungsrates im Februar dieses Jahres seine Arbeit aufgenommen hat. Unter Leitung der FITKO managen dort Vertreter*innen aus 11 Ländern und dem Bund die föderale IT-Architektur. Das Ziel ist, die bestehende und zukünftige Infrastruktur so aufzustellen, dass ein Datenaustausch problemlos möglich wird. Man kann sich das wie ein Eisenbahnnetz vorstellen: Wenn man kein einheitliches Schienensystem hat, muss man an jeder System-Grenze Lok und Waggon austauschen. Das ist mühsam und kostspielig. Mit einer lückenlosen IT-Infrastruktur schaffen wir also die Voraussetzungen für eine effektivere Verwaltung und mehr Bürgerservice – zum Beispiel auch für die Umsetzung des OZG, was ja viele Kommunen unmittelbar betrifft.

 Wenn man das Thema OZG anschaut, wie kommen Sie hier voran?

Sehr gut: Die arbeitsteilige Umsetzung der Themenfelder in Bund und Ländern funktioniert hervorragend. Klar, insgesamt ist das OZG eine Mammut-Aufgabe. Die bewältigen wir unter anderem mit Themenfeldverantwortlichen, die die Kooperation über alle föderalen Ebenen hinweg organisieren, und mit institutionalisierten Kommunikationswegen etwa über die OZG-Koordinatoren. Die FITKO übernimmt dabei den Austausch von Erfahrungen und Umsetzungsergebnissen zwischen den Beteiligten. Konkret geht es uns um die Nachnutzung nach dem Einer für Alle (EfA)-Prinzip. Wer sich an die Drei Musketiere erinnert, kennt sicher deren Wahlspruch: „Einer für alle, alle für einen!“ Das ist auch unser Ziel mit dem EfA-Prinzip. Denn nicht jeder soll alles selbst machen müssen. Stattdessen lässt sich das OZG durch gemeinsame Wege wirtschaftlich, nutzerfreundlich und rasch umsetzen. Wenn beispielsweise ein Verwaltungsverfahren in Sachsen bereits digitalisiert ist, soll es auch in Bayern oder Hessen „nach-genutzt“ werden können. Hessen steuert mit civento hier bereits eine Digitalisierungsplattform bei, die auch andere Bundesländer nutzen.

Was sind FIT-Store und FIT-Connect?

Das ist die konkrete Umsetzung des Nachnutzungs-Prinzips. Angebot und Nachfrage zu digitalisierten Verwaltungsleistungen, also zu Online-Diensten, sollen unkompliziert, standardisiert und rechtssicher zueinander finden. Dazu baut die FITKO den „FIT-Store“ auf. Über den Store können künftig IT-Dienstleistungen an einer zentralen Stelle zu standardisierten Vertragsbedingungen eingekauft, angeboten und weiterverkauft werden. Wer also für die digitale Abrechnung von „Knöllchen“ ein Zahlungsmodul benötigt, wird hier bald ebenso fündig wie der Ordnungsamt-Chef auf der Suche nach Fischerei-Verfahren.

Und da Services nur im Store weitergereicht werden können, wenn sie sicher und kompatibel sind, gibt es FIT-Connect. Mit diesem Programm sorgen wir für Schnittstellen und Normierung, damit der Datentransport reibungsfrei läuft. Um auf das Bild vom Eisenbahnnetz zurückzukommen: FIT-Connect legt die Gleise, damit der Austausch für alle ohne Grenzen und Hindernisse läuft.

Wie sichern Sie die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen FITKO, ekom21 und Kommunen?

Um die Verwaltung fit für die Zukunft zu machen, sind drei Dinge nötig: Innovative Ideen, Beständigkeit und Fachlichkeit. Nur damit bekommen wir einen verlässlichen Rahmen für die langfristige Kooperation zwischen allen Beteiligten. Deshalb setzen wir auf viele unterschiedliche Austausch-Formate für den Transfer von Wissen und Knowhow. Hier ist die ekom21 als kommunaler IT-Dienstleister und Wissensträger ebenso wie der CIO des Landes Hessen präsent und trägt in vielen FITKO-Gremien Impulse, Ideen und Leistungen aus den hessischen Kommunen an die FITKO heran.

Wo sehen Sie Hemmnisse bei der OZG-Umsetzung?

Wir haben natürlich mit vielfältigen, bisweilen gegenläufigen Interessen zu tun. Bei finanziellen oder politischen Fragen ist bisweilen Mediation gefordert, um Hemmnisse zu überwinden. Aber wir sollten mehr auf die Erfolge schauen, die wir in so kurzer Zeit und unter den besonders schwierigen Bedingungen der letzten Monate erreicht haben. Corona hat zwar großen Druck erzeugt, aber die Verantwortlichen auch enger zusammenrücken lassen. Es ist einfacher geworden, Neuerungen einzuführen. Und diesen „Drive“ sollten wir uns unbedingt bewahren, denn wir sind erst am Anfang der Digitalisierung-Reise!

Was macht denn die Digitalisierung der Verwaltung so anspruchsvoll?

Das ist natürlich eine sehr globale Frage. Spontan würde ich sagen: Die Komplexität ist der Hauptgrund. Wir leben in einem föderalen Staat, was viele Vorteile mit sich bringt. Die Menschen vor Ort wissen am besten, was sie brauchen. Aber das föderale Prinzip bringt auch Einschränkungen mit sich: Größere Zusammenhänge geraten manchmal aus dem Blick, die Integration der Infrastruktur über die einzelnen Schnittstellen hinweg wird dann zweitrangig. Man kann das aktuell gut am Gesundheitswesen sehen. Die Gesundheitsämter waren eher auf kleinräumige Aktionen eingerichtet, der Ausnahmefall einer weltweiten tödlichen Epidemie musste erst technisch neu aufgegleist werden.

Und dann übersehen Kritiker auch gerne den Unterschied zwischen privatwirtschaftlichen Unternehmen wie Amazon und der Verwaltung eines Gemeinwesens. Amazon sucht sich seine Kunden aus – und kann seine Services beispielsweise von der Kaufkraft abhängig machen. Die Verwaltung hingegen muss alle Bürger gleichermaßen ansprechen. Wer Amazon ohne Internet-Zugang nutzen möchte, wird es ziemlich schwer haben. Aber wer kein Smartphone oder noch nicht einmal einen Internet-Zugang hat, bekommt im Bürgerbüro selbstverständlich dennoch seinen Pass. Auch ist der Datenschutz ein Grundrecht, das technisch eingehalten werden muss. So gibt es viele Aspekte mehr, die Verwaltungsdigitalisierung zu einer Mammut-Aufgabe machen.

Was entspannt Sie, wenn Sie sich nicht mit IT und Verwaltung beschäftigen?

Ich bin ein sehr naturverbundener Mensch und entspanne gern in der Natur. Wandern im Taunus, der Wetterau und entlang des Limes geben mir beispielsweise Kraft für die Arbeit. In Corona-Zeiten war es dann allerdings öfters auch nur der Balkon. Ansonsten sehe ich leidenschaftlich gerne Dokumentar-Filme aller Art – Reisen, geschichtliche Themen und natürlich auch Technik.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit und die vielen Einsichten in die Arbeit der FITKO!


 Weiterführende Informationen

 ·   Zur FITKO geht es hier: https://www.fitko.de/Start